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Podcast "Die Diagnose" Rätselhaften Krankheiten auf der Spur: "Alle treibt ein detektivischer Spürsinn an"

Podcast "Die Diagnose
In "Die Diagnose" kommen Ärzte zu Wort, die zu Detektiven wurden
© stern
Mysteriöse Leiden, überraschende Diagnosen: Im Podcast "Die Diagnose" berichten Mediziner von ihren spannendsten Krankheitsfällen. stern-Redakteurin Anika Geisler erklärt, was den Reiz der Fallgeschichten ausmacht - und wie es ist, in Zeiten von Home Schooling einen Podcast aufzunehmen.

Hören Sie die neue Folge des Podcasts hier oder bei Audio NowSpotify, iTunes und weiteren Podcast-Anbietern:

Frau Geisler, heute startet die vierte Staffel des Podcasts "Die Diagnose". Was macht den Reiz der medizinischen Fallgeschichten aus?

Es ist spannend, mit den jeweiligen Ärzten zusammen auf Spurensuche zu gehen und dabei zu sein, wie sie Schritt für Schritt eine Art medizinischen Kriminalfall lösen. Immer mit der Frage vor Augen: Was ist die Ursache für die rätselhaften Beschwerden? Viele der Ärzte lassen den Hörer auch bei der Suche nach der Lösung an ihren Gefühlen teilhaben. Sie empfinden Zweifel oder Ratlosigkeit, wenn sich der erste Verdacht doch als falsch erweist. Oder sie freuen sich und sind regelrecht gerührt, wenn der Auslöser endlich gefunden ist und dem Patienten geholfen werden kann. Das macht die Mediziner menschlich und nahbar. Viele Hörer kennen zudem jemanden im Verwandten- oder Freundeskreis, der in einer ähnlichen Situation steckt: hartnäckige Beschwerden, der Patient hat eine Odyssee durch Praxen und Kliniken hinter sich, kein Arzt kann helfen. Da gibt es auch die Hoffnung: Vielleicht steckt die Lösung ja im nächsten Podcast?

Anika Geisler
© Carolin Windel / stern

Anika Geisler

Anika Geisler arbeitet als Medizinredakteurin und Reporterin für den stern. Seit 2013 betreut die ausgebildete Medizinerin die Rubrik "Die Diagnose", in der Ärzte ihre spannendsten Patienten-Geschichten schildern. Der gleichnamige Podcast geht nun in die fünfte Staffel.

Welche der neuen Folgen ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben? 

In einer der Folgen geht es um einen Mann, der beim Orgelspielen Schmerzen im linken Arm bekommt. Die Beschwerden werden schlimmer, dazu kommen Atemnot und Brustschmerzen. In der Notaufnahme wird er durchgecheckt – aber ein Herzinfarkt ist es nicht. Es geht dem Patienten immer schlechter, er muss auf die Intensivstation. Die Blutwerte zeigen, dass Muskelfasern in seinem Körper zerfallen; außerdem arbeiten die Nieren nicht mehr richtig, der Mann wird an die Blutwäsche-Maschine angeschlossen. Kurz danach stellt sich heraus, dass seine Lebensgefährtin ebenfalls in einer Klinik liegt – mit starken Schmerzen in Nacken, Schultern und Armen. Letztlich findet der Arzt heraus, womit das alles zu tun hat: mit einem Festmahl am Abend zuvor. Es ist wirklich eine außergewöhnliche Geschichte mit einer extrem überraschenden Auflösung. 

Die vierte Staffel ist während des Lockdowns entstanden. Wie geht das, einen Podcast im Homeoffice aufzunehmen?

Das ist gar nicht so einfach. Wir wollen ja nicht einfach das Telefonat mitschneiden, weil dann die Tonqualität für den Podcast zu schlecht wäre. Wir nehmen deshalb mit zwei Geräten auf: Eins habe ich, eins mein Gesprächspartner in Berlin, Köln oder anderswo. Da kann unendlich viel schiefgehen: Irgendein Bürostuhl quietscht, eine Armbanduhr macht Geräusche, die Kinder im Home Schooling platzen ins Zimmer. Anmoderationen und die Überleitungen habe ich zuhause eingesprochen. Machen Sie das Mal, wenn Sie kein gut schallisoliertes Tonstudio haben. Ich lebe in einer typischen Altbauwohnung mit nackten Wänden und Holzboden. Das hallt. Nebenan bei mir wird zudem gerade eine Wohnung renoviert. Die Bauarbeiter arbeiten mit der Schlagbohrmaschine und klopfen Fliesen ab. Meine Kollegin Annette Ewen von der Audio Alliance, die den Diagnose-Podcast mit mir produziert, hatte einen Profi-Tipp für mich: beim Einsprechen unter einer Wolldecke sitzen. Oder aber ich spreche in den Kleiderschrank rein: kleiner Raum, viel Stoff, gute Dämpfung. Jetzt stehe ich also immer, wenn die Bauarbeiter Pause machen, vor dem Kleiderschrank, stecke meinen Kopf ein bisschen hinein und spreche meine Texte zwischen Blusen und Kleider.

Sie sind selbst Medizinerin. Wie viel Zeit haben Ärzte im Arbeitsalltag überhaupt für detektivisches Nachspüren?

Immer weniger.  Der Alltag der Ärzte ist strikt durchgetaktet, das kennt wohl jeder Patient aus eigenem Erleben. Ganz egal, ob in der Klinik oder in der Praxis. Einige Fallgeschichten in diesem Podcast zeigen sehr deutlich, wie wichtig – neben allen High-Tech-Diagnosemethoden – das ausführliche Gespräch zwischen Arzt und Patient sein kann, um auf die richtige Spur zu kommen. Der entscheidende Hinweis kann eben auch mal in einem Nebensatz fallen. Aber für ausführliche Gespräche bleibt oft kaum Zeit, zudem werden sie nicht besonders gut vergütet.

Was machen die Mediziner anders, die Sie für Ihren Podcast interviewen? Was für "ein Schlag Mensch" ist das?

Die Ärzte haben ein breites Wissen und viel Erfahrung, dazu kommen Neugier und Hartnäckigkeit. Alle treibt ein detektivischer Spürsinn an. Und sie sind den Patienten sehr zugewandt. Viele von ihnen sagen so etwas wie: "Mich hat dieser Fall einfach nicht losgelassen." Oder: "Auf dem Weg nach Hause auf dem Rad kam mir der entscheidende Geistesblitz." Das heißt, auch wenn die erste Verdachtsdiagnose nicht die Lösung brachte, haben sie sich im Hinterkopf weiter mit dem Fall beschäftigt. Dazu kommt, dass die Ärzte die Erkrankten nicht vorschnell in die psychische Schublade stecken – nach dem Motto: Man findet nichts Organisches, also ist es etwas Psychisches.

Was sollten Menschen tun, die sich in einer der Folgen wiedererkennen und vermuten, dass ihre Beschwerden ähnlichen Ursprungs sein könnten?

Sie sollten mit ihrem Hausarzt oder einem Facharzt über den Verdacht sprechen. Viele Ärzte mögen es ja nicht, wenn man als Patient mit Internet-Ausdrucken ankommt und sagt, es könnte dies und das sein. Aber wenn man erzählt, man hat einen Spezialisten mit einem Fall im Podcast gehört, die Krankengeschichte und die Beschwerden waren vergleichbar – sollten gute Ärzte ein offenes Ohr dafür haben. Es kommt immer wieder vor, dass sich Patienten bei mir in der stern-Redaktion melden und berichten, dass "Die Diagnose" ihnen geholfen hat, die wahre Ursache ihrer Symptome zu finden. Ganz einfach, weil sie ihre Beschwerden wiedererkannt haben. Eine Patientin drückte es so aus: "Das bin ja ich, über die da berichtet wird!" Sie hatte tatsächlich dasselbe Krankheitsbild, was dann endlich entdeckt und behandelt wurde. Heute geht es ihr wieder gut.

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Haben Sie selbst etwas durch die Arbeit an den Fallgeschichten lernen können?

Ich habe gelernt, dass es Patientengeschichten gibt, die einfach unglaublich klingen: Ein Maurer mit massiven Seh- und Hörproblemen und drohendem Herzversagen – und letztlich war sein künstliches Hüftgelenk schuld. Oder ein Mathematiker, der seit Jahren nachmittags für einige Zeit gelähmt zusammenbrach – und am Ende entdeckte der Arzt: Es hat mit der Ernährung zu tun, dieser Patient braucht Salziges, am besten Currywurst und Pommes. Und ich habe gelernt, dass es die jungfräuliche Empfängnis tatsächlich geben kann.

Neugierig geworden? Hier gibt es alle bislang veröffentlichten Folgen zum Nachhören.

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