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Keine "Alte-Leute-Krankheit" Rheuma bei Kindern und Jugendlichen – das müssen Eltern wissen

Rheuma bei Kindern: Ein Mädchen teilt dem Arzt Schmerzen im Knie mit
Dieses Mädchen leidet an Schmerzen im Knie
© yacobchuk / Getty Images
Viele Betroffene sind älter, aber an Rheuma erkranken auch Kinder. Speziell in jungen Jahren ist die Diagnose schwer. Das müssen Eltern wissen, um ihr Kind bestmöglich zu unterstützen.  
Rheuma kennt man sonst nur von seinen Großeltern oder der alten Großtante, aber auch Kinder können daran erkranken. Bundesweit sind etwa 1,5 Millionen Menschen von Rheuma betroffen. Die meisten sind erwachsen oder bereits hochbetagt, aber laut dem Deutschen Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ) sind etwa 20.000 davon Kinder und Jugendliche – die Zahl der Betroffenen steigt stetig. Gerade bei kleinen Kindern ist es schwer die Krankheit zu erkennen. Sie können meist noch nicht offen darüber sprechen und es liegt an den Eltern zu erkennen, ob das Kind Schmerzen hat, um bleibende Schäden zu verhindern.

Was ist Rheuma eigentlich?

Rheuma ist ein Oberbegriff für viele verschiedene entzündliche Erkrankungen. Diese Entzündungen entstehen, weil das Immunsystem fehlgeleitet wird und sich im Anschluss gegen körpereigene Strukturen richtet. Immunzellen wandern in die Gelenke und Organe und produzieren entzündungsfördernde Stoffe. Das Gelenk entzündet sich und beginnt zu schmerzen.
Warum das Abwehrsystem verrückt spielt und den eigenen Körper angreift, ist noch unbekannt. Auch eine Heilung ist noch nicht in Sicht. Die Möglichkeiten zur Bekämpfung der Folgen und akuten Schmerzen sind in den letzten Jahren weit fortgeschritten, dennoch lässt sich die Krankheit nicht ursächlich heilen.
Verschiedene Faktoren steuern das Erkrankungsrisiko. Zu Rheuma könnte vermutlich ein Zusammenspiel aus der genetischen Veranlagung und Umweltfaktoren führen - etwa ein stressiger und belastender Lebensabschnitt, eine Verletzung oder Krankheit. Manche Menschen sind demnach einfach anfälliger für Rheuma als andere. Geraten diese dann noch in eine stressige Phase, verletzen sich beim Sport oder werden krank, kann das eine akute Entzündung auslösen. Bei Kindern ist die Prognose meist deutlich besser als bei Erwachsenen. Es kann vorkommen, dass die Krankheit unter Kontrolle gebracht und inaktiv wird.
Die Krankheitsbilder unterscheiden sich stark: Es können Gelenke, Gefäße und Bindegewebe betroffen sein. Am häufigsten ist bei diesen rheumatisch-entzündlichen Erkrankungen bei Kindern das Gelenkrheuma vertreten. Die Juvenile Idiopathische Arthritis (kurz: JIA) betrifft etwa eines von 1.000 Kindern bundesweit. Bei einer JIA tritt die Gelenkentzündung vor dem 16. Lebensjahr auf, die Ursache ist unklar. Die Entzündungen äußern sich auf vielfältige Art und Weise. 
Laut DRFZ ist etwa jeder zweite JIA-Patient von einer Oligoarthritis (oligo = wenige Gelenke, Arthritis = Gelenkentzündung) betroffen. Die Merkmale sind:
  • Meist sind nur eines oder wenige betroffene Gelenke betroffen, zu Beginn meist das Kniegelenk
  • die Erkrankung tritt im Kleinkindalter auf.
Die Systemische Arthritis äußert sich meist durch:
  • Fieber und rötliche Hauterscheinungen
  • neben der Entzündung von Gelenken sind auch innere Organe betroffen.
Die Psoriasis-Arthritis (Psoriasis = Schuppenflechte) geht einer Schuppenflechte vorweg - meist um einige Jahre.
Bei einer Arthritis mit Enthesitisneigung (Enthesen = Sehnenansätze) entzünden sich:
  • Fuß- und Sprunggelenke
  • sowie die Sehnenansätze – häufig an der Ferse.
  • Sie tritt meist bei Jungen im Schulalter auf.
Bei der Polyarthritis (poly = viele) entzünden sich mehr als vier Gelenke. Hier gibt es zwei Ausprägungen:
  • Bei der einen lässt sich ein Rheumafaktor im Blut nachweisen, 
  • bei der anderen ist der Faktor nicht nachzuweisen.
  • Meist entwickelt sich diese Krankheit bei jungen Mädchen. Von allen JIA-Patienten leiden laut DRFZ etwa 19% unter dieser Erscheinungsform.
Neben den oft betroffenen Gelenken, wie Knie, Hüfte, Hände und Füße, kann bei jeder der Ausprägungen auch der Kiefer von einer Entzündung befallen werden. Mit der JIA kann auch die Entzündung innerer Organe einhergehen, obwohl diese besonders oft bei der systemischen Arthritis auftritt. Hierbei besonders gefährdet sind die Augen der Kinder. Ein Besuch beim Augenarzt sollte hier Klarheit schaffen.
Alle Ausprägungen von JIA lassen sich schwer erkennen – gerade, wenn das Kind noch klein ist. Betroffen sein kann jedes Kind, jeden Alters, vom kleinen Säugling bis zum Jugendlichen. Viele kleine Kinder klagen nicht über die Schmerzen, sondern nehmen einfach eine Schonhaltung ein. Auch bei Jugendlichen kann es passieren, dass sie ihre Schmerzen nur nebenbei erwähnen und stattdessen versuchen, eine Entlastung für ihr schmerzendes Gelenk zu finden. Meistens gelingt ihnen das, wenn auch nur kurzzeitig, sogar ziemlich gut.
Die Symptome unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. Viele Kinder haben Schmerzen in den Gelenken – bei Bewegung und bei Ruhe. Die Gelenke weisen manchmal von außen gar keine Merkmale auf. Es kommt aber auch zu Schwellungen, starker Wärme und rötlichen Färbungen. Bei Kindern kann es außerdem zu Fieber kommen. Manchmal hat das Kind Schwierigkeiten den Mund ganz zu öffnen oder klagt über Schmerzen beim Kauen. Weitere Hinweise liefern diese Indizien:
Hinkt das Kind beim Laufen? Entlastet es ein Bein? Greift es anders oder stützt sich anders ab als vorher? Sind die Gelenke überwärmt, geschwollen oder steif nach dem Aufstehen? Möchte das Kind wieder auf den Arm, obwohl es schon lange laufen kann? Klagt das Kind über Schmerzen bei Bewegungen?
Das alles könnten erste Anzeichen für Rheuma sein. Natürlich kann das Kind sich auch nur beim Sport verletzt haben. Treten die Symptome jedoch regelmäßig und immer häufiger auf, sollte ein Arzt aufgesucht werden.

Die Diagnose - ein (oft) langer Weg

Der erste Weg führt zum Kinderarzt oder einem Orthopäden. Hier beginnt die Spurensuche. Bei Kindern und Jugendlichen ist es besonders schwierig eine eindeutige Diagnose zu stellen, da sich im Blut zu Krankheitsbeginn meist noch keine eindeutigen Marker befinden. Auch die Bildgebung ist meist wenig aussagekräftig. Auf Röntgenaufnahmen ist selten etwas zu erkennen und auch andere bildgebende Verfahren, wie Kernspintomographie oder Sonografie, sind schwierig zu deuten. Die Diagnose ist wie ein riesiges Puzzle, das sich aus den vom Patienten benannten Beschwerden, klinischen, laborchemischen, bildgebenden Befunden und der vorherigen Krankheitsgeschichte zusammensetzt. Besteht auch nur der kleinste Verdacht auf Kinderrheuma, wird ein Kinder- und Jugendrheumatologe zur Diagnose miteinbezogen. Eine Liste mit geeigneten Ansprechpartnern findet sich etwa auf der Versorgungslandkarte der Rheuma-Liga.

Die Therapie - Abhilfe für Schmerzen und Entzündungen

Ist die Diagnose gestellt, heißt es Aufatmen für alle Beteiligten, denn auch wenn Rheuma noch nicht heilbar ist, gibt es sehr erfolgreiche Therapiemethoden, die schnell eine Linderung der Schmerzen versprechen. Ziel der Therapie ist es, die Entzündungen der Gelenke zu bekämpfen, die Schmerzen zu lindern und die Bewegungseinschränkungen schnellstmöglich zu beheben. Es soll nicht zu bleibenden Schäden an Gelenken oder Organen kommen.
Hierfür basiert die Therapie auf verschiedenen Bausteinen, die alle gemeinsam den Weg zum Ziel vorantreiben. Der erste Baustein sind die Medikamente. In der Regel beginnt die Behandlung von Gelenkrheuma bei Kindern mit dem Verschreiben nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR). Hierbei handelt es sich um kortisonfreie Medikamente, die die Schmerzen lindern, Entzündungen hemmen und Fieber senken sollen. Bei akuten Entzündungen kann es auch zur Gabe von Kortison kommen, das den Rückgang von Entzündung und Schmerz noch verstärken soll. Die systematische Kortisontherapie kann in Form von Tabletten oder mit Spritzen einer kortisonhaltigen Flüssigkeit direkt in das betroffene Gelenk erfolgen. Hohe Dosierungen über einen langen Zeitraum kommen hier aufgrund der Nebenwirkungen, wie Gewichtszunahme ("Vollmondgesicht"), vermehrte Körperbehaarung, Wachstumsstörungen und Knochenentkalkungen, nur bei besonders schweren Krankheitsverläufen zum Einsatz. Zusätzlich haben Kinder, die eine höhere Kortison-Dosis als zehn Milligramm pro Tag zu sich nehmen, ein bis zu dreifach höheres Infektionsrisiko als Kinder ohne Kortisontherapie. Bei der kurzdauernden Gabe von Kortison in der Akuttherapie muss man sich jedoch wenig Sorgen um unerwünschte Nebenwirkungen bei hohen Dosierungen machen.
Zeigen NSAR und Kortison nicht ausreichend Wirkung, greifen die Rheumatologen meist zu sogenannten Basismedikamenten. Diese sollen die Krankheit zum Stillstand bringen. Besonders häufig kommt hier Methotrexat (MTX) zum Einsatz: ein Mittel aus der Krebstherapie, das 1000-fach niedriger dosiert ist. Auch dieses lässt sich als Tablette einnehmen oder spritzen. Meist greifen die Kinder trotz der Angst vor Spritzen nicht zur Tablette, da diese Übelkeit hervorrufen und bei wöchentlicher Einnahme den Alltag stark einschränken kann. Die Spritze macht mit ihrer giftgrünen Farbe das Gefühl zwar nicht unbedingt besser, sorgt aber nicht für Übelkeit.
Sollte auch MTX nicht die gewünschte Wirkung zeigen, kommen meist noch Biologika hinzu. Diese Medikamente sind einer natürlichen Stoffgruppe nachempfunden. Sie hemmen die körpereigenen Botenstoffe des Immunsystems. Bei Gelenkrheuma wird der Botenstoff TNF-alpha blockiert und die Übermittlung der Entzündung kann verhindert werden. Die Entzündungen der Gelenke werden schwächer. Der Wirkungsbeginn erfolgt häufig rasch und mit eindrucksvollen Erfolgen. Dennoch sind die Nebenwirkungen der Biologika nicht ganz zu vernachlässigen: Das Abschwächen des Immunsystems muss vor allem in Bezug auf Impfungen bedacht werden. Bei sogenannten Passiv-Impfungen und Totimpfstoffen ist meist nichts zu bedenken, bei Lebendimpfstoffen (wie zum Beispiel Masern, Mumps, Röteln und Windpocken) sollte jedoch genau mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden, ob die Impfung möglich ist.
Ein weiterer Baustein der Therapie ist die Bewegungstherapie. Physiotherapie löst Verspannungen in den Muskeln, kräftigt sie und entlastet die Gelenke. Durch die Bewegung wird der Stoffwechselaustausch im Blut angeregt und Entzündungen – so weit wie möglich – vom Körper selbst bekämpft. Auch akut entzündete Gelenke sollten vorsichtig und ohne Belastung bewegt werden.
Nicht jedem Rheumakranken wird Ergotherapie empfohlen. Sollte es vom behandelnden Arzt empfohlen werden, sollte man die Therapie auf jeden Fall wahrnehmen und die Chance nutzen. Hier geht es darum die Gelenkfunktionen zu erhalten und zu verbessern. Kinder lernen, wie sie möglichst schonend für die Gelenke an Spielen mit anderen Kindern teilnehmen können, Jugendliche wie sie Fehlbelastungen vermeiden und es nicht zu Überlastungen kommt. Hierzu nimmt man sich verschiedene Übungen, aber auch Schienen zur Hilfe.

Und was bedeutet Rheuma für die Familie?

Rheuma bei einem Kind oder Jugendlichen bedeutet nicht nur für das eigene Leben eine große Veränderung. Auch für die Familie ist es ein großer Einschnitt. Ausflüge müssen abgesagt oder umgeplant werden, man kann nicht einfach so draußen herumtollen, sich mit Freunden treffen oder große Spaziergänge machen. Häufig leiden die Betroffenen dauerhaft unter Schmerzen und nichts vermag ihnen Linderung zu verschaffen. Bei Regen werden die Schmerzen schlimmer, also bleibt das Kind drinnen. Gerade in den regenreichen Herbst- oder Wintermonaten kann das eine große Einschränkung sein.
Die Therapie bestimmt den Tagesablauf der gesamten Familie: Morgens Medikamente einnehmen, Krankengymnastik machen, zur Physio- oder Ergotherapie fahren, Medikamente einnehmen. Alles begleitet von den schon gewohnten Schmerzen. Jeden Tag kann sich der Zustand des Kindes verschlechtern oder auch verbessern. Über Nacht kann es steil bergauf oder bergab gehen.
Häufig kümmert sich ein Elternteil ab dem Zeitpunkt der Diagnose nur noch um das kranke Kind. Das andere Elternteil geht arbeiten. Beide können sich unverstanden und alleine gelassen fühlen. Nicht selten stehen unausgesprochene Vorwürfe im Raum. Dabei wäre es das wichtigste in so einer Zeit zusammenzuhalten und sich gegenseitig zu unterstützen. Hier hilft offene Kommunikation und vielleicht auch ein wenig Unterstützung von außen: Ein Therapeut für die Familie kann das Problem vielleicht schnell aus der Welt schaffen.
Auch kann es passieren, dass sich Geschwisterkinder vernachlässigt fühlen und in den Hintergrund rücken. Von den Eltern ist es oft gar nicht böse gemeint. Sie sind schlichtweg einfach nur die ganze Zeit mit dem rheumakranken Kind beschäftigt. Viele Geschwisterkinder bekommen dann nicht nur weniger Aufmerksamkeit, sondern sollen oft auch noch Verständnis zeigen und Rücksicht nehmen. Viele verstehen das. Auch sie wollen helfen und unterstützen und vor allem den Eltern nicht zusätzlich zur Last fallen. Offene Kommunikation auch mit den Geschwisterkindern ist hier besonders wichtig. So kann man früh genug einschreiten, wenn sich ein Kind vernachlässigt fühlt. Auch das kranke Kind sollte dabei eine Rolle spielen. Denn es muss auch verstehen, dass es ihm zwar nicht gut geht, aber sich nicht alles nur um die Krankheit dreht und das Geschwisterkind seine Eltern auch mal benötigt.
Geschwister können in dieser Zeit eine noch engere Bindung zueinander aufbauen, denn das kranke Kind wird nicht zwangsläufig, aber sehr wahrscheinlich, viele seiner Freunde durch die Krankheit verlieren. Mit dauerhaften Schmerzen kann das Kind oft nicht so oft und ausgelassen mit anderen Kindern spielen, wie es gerne würde. Je nach Alter des Kindes und der Freunde kann es auch passieren, dass die anderen Kinder die Krankheit des Kindes gar nicht verstehen und kein Einfühlungsvermögen zeigen. Viele Kinder wollen ihren Bewegungsdrang nicht unterdrücken. Im Sommer wollen sie lieber draußen um die Wette rennen, statt drinnen einen Film zu gucken, nur weil ein einziges befreundetes Kind eben nicht draußen mitspielen kann. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, kann man jedoch das Gespräch mit den Eltern der Freunde suchen, damit diese es wiederum mit ihren Kindern besprechen und vielleicht etwas mehr Verständnis für das kranke Kind zeigen. 
Wenn der Verlust von Freundschaften durch das Band von Geschwistern aufgefangen werden kann, ist es der größte Gewinn, den man in dieser Situation haben kann. 

Kinder wollen keinen "Außenseiter"-Status

Die Schule ist oft der einzige soziale Kontaktort, den die rheumakranken Kinder haben und gerade hier besteht viel Konfliktpotenzial. Viele Kinder möchten bei ihren Klassenkameraden nicht als Außenseiter gelten, weil sie eine Schiene tragen oder mehr Zeit für die Klassenarbeit kriegen. Sie wollen am Sportunterricht teilnehmen und nicht am Rand sitzen. In der Pause rausgehen und mit den anderen gemeinsam toben – Ticken oder Fangen spielen.
Bevor das Kind wieder zur Schule geht, sollten die Eltern dafür sorgen, dass es sich nicht mehr für seine Krankheit schämt. Das Kind hat schließlich keine Schuld an seinem Zustand und sollte sich niemals deshalb schlecht fühlen. Es kann sehr hilfreich sein, dem Kind so verständlich wie möglich seine Krankheit zu erklären – möglichst bildlich. Das Kind kann es seinen Klassenkameraden dann auf eben diese Art und Weise erklären. Rheumakranke Kinder wissen meist ziemlich viel über ihr Leiden, aber gut erklären können sie es nicht. 
Es wäre beispielsweise möglich, dem Kind das Immunsystem als eine Art Armee zu beschreiben. Die Armee der anderen Kinder hat nur gute Soldaten, die des rheumakranken Kindes jedoch hat auch böse in ihren Reihen. Diese bösen Soldaten wenden sich gegen den eigenen Körper und machen ihn kaputt. Um die bösen Soldaten zu bekämpfen, brauchen die guten Soldaten noch die Hilfe von anderen Soldaten. Deswegen muss das Kind so viele Medikamente nehmen. Sport machen und wild herumtoben darf es erst wieder, wenn die bösen Soldaten besiegt sind.

Kann die Ernährung helfen?

Es gibt keinen Ernährungsplan und kein Erfolgsrezept, wie mithilfe der Ernährung die Therapie am besten unterstützt werden kann, aber ein paar gute Tipps, die ein Ausprobieren wert sind.
Generell sollte die Ernährung von Rheumakranken möglichst abwechslungsreich sein – Vollkornprodukte und frisches Obst und Gemüse dürfen nicht fehlen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass viele tierische Nahrungsmittel die Entzündungen noch bestärken. So findet sich in Fleisch und Milchprodukten die Arachidonsäure. Aus dieser bilden sich später entzündungsfördernde Botenstoffe, die die Entzündungen noch verstärken können. Den Verzehr von Fleischprodukten auf einige wenige Male in der Woche oder im Monat zu reduzieren, ist eine gute Möglichkeit, die Aufnahme der Fettsäure mit der Nahrung zu senken.
Wichtig ist jedoch weiterhin Fisch zu konsumieren. Die Eicosapentaensäure (EPA), die im Fisch enthalten ist, hat genau den gegenteiligen Effekt, wie die im Fleisch enthaltene Arachidonsäure. EPA hat klinischen Tests zufolge zu leichten Verbesserungen der Schwellungen an den Gelenken sowie der Schmerzintensität geführt. Die Bestandteile der EPA befinden sich auch in vielen verschiedenen Ölen, wie zum Beispiel Raps- und Leinöl.
Ein dritter Tipp für die Ernährung sind Gewürze: Ingwer, Curry, Kümmel und Knoblauch verhindern die Bildung von Entzündungsstoffen aus der Arachidonsäure und können bei regelmäßiger Anwendung auch zu einer deutlichen Verbesserung der Schmerzen führen.
In vielen Kreisen gelten Ernährungstipps als Wunderwaffe. Gerade Vegetarismus und Veganismus liegen hoch im Kurs. Wissenschaftliche Beweise, ob diese Kost rheumatische Erkrankungen langfristig bekämpfen kann, fehlen jedoch. Hier muss jeder auf sein eigenes Gefühl hören und verschiedene Dinge ausprobieren. Jeder Mensch ist unterschiedlich und jeder verträgt unterschiedliche Lebensmittel unterschiedlich gut. 
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Einmal in die Reha – bitte!

Bei akuten und sehr starken Entzündungen oder bei Schwierigkeiten auf das richtige Medikament eingestellt zu werden, ist es möglich in eine auf Rheuma-Patienten spezialisierte Klinik zu gehen. Hier wird intensive Betreuung großgeschrieben. Patienten werden richtig auf ihre Medikamente eingestellt, bekommen Physio- und Ergotherapie, können neue Therapiemethoden ausprobieren, in der Schmerztherapie ihre Schmerzen bewältigen und Gleichgesinnte kennenlernen. Gerade für Kinder, die sich einsam mit ihrem Leiden fühlen, kann das der hilfreichste Punkt einer kinderrheumatologischen Klinik sein.
Um aus dem Alltag zu entkommen und nach einem akuten Schub nachfolgende Schäden zu beheben, ist eine Reha sehr nützlich. Ziel einer Rehabilitation ist der Erhalt oder die Wiederherstellung der Gelenkfunktionen. Hier ist es besonders wichtig, dass das Kind in eine spezialisierte Einrichtung kommt. Es sollten angemessene psychologische Betreuung, Patientenschulung und qualifizierte kinderrheumatologische Behandlung gegeben sein. Auch hier ist der soziale Faktor groß – Kinder fühlen sich weniger allein. Eine solche Einrichtung wählt man am besten mit dem behandelnden Rheumatologen aus, dieser weiß genau, worauf zu achten ist und ob die Klinik oder Reha geeignet ist. Zu finden sind die Reha-Einrichtungen und Kliniken auch auf der Versorgungslandkarte der Rheuma-Liga.

Was gibt es für Tipps und Tricks?

Rheuma kommt in vielen verschiedenen Formen, deswegen gibt es viele verschiedene Tipps und Tricks: Einige helfen, andere weniger. Bei akuten Schmerzen sind sie aber immer einen Versuch wert. Eltern können ihrem Kind mit einfachen Hausmitteln eine Erleichterung schaffen, denn jedes warme oder geschwollene Gelenk kann gekühlt werden. Dafür einfach einen Eisbeutel in ein Handtuch wickeln und als kühlenden Wickel um das Gelenk machen. Die Kälte entzieht dem Gelenk die überschüssige Wärme, was zu einer Hemmung der Entzündung und einer Linderung der akuten Schmerzen führen kann. Nicht jedes Kind reagiert positiv auf Kälte. Hier heißt es Ausprobieren. Mit Glück hat man das Wundermittel entdeckt!
Das Kind muss nicht gleich in eine Rheumaklinik, um Kontakte zu Kindern und Jugendlichen zu finden, die ebenfalls von Rheuma betroffen sind. Ein Rheuma-Forum bietet eine Plattform für den Themenaustausch über JIA. Auf Social Media, wie Instagram, teilen viele Jugendliche ihre Erfahrungen und tauschen sich über ihre Situationen aus. Auch wenn es nur virtueller Kontakt ist, fühlen sich betroffene Kinder und Jugendliche nicht mehr so alleine mit ihren Problemen. Hier können sich außerdem weitere Tipps anderer Erkrankten finden lassen.
Auch die offene Kommunikation mit und in der Schule kann sehr hilfreich sein. So können die Eltern offen mit Klassenlehrern und Schulleitern sprechen. Vielleicht kann die Klasse in einen anderen Klassenraum verlegt werden, sodass weniger Treppen gelaufen werden müssen. Es ist möglich, einen zweiten Satz Schulbücher zu bestellen, damit das Kind nicht täglich schwere Schulbücher zur Schule schleppen muss. Ein Nachteilsausgleich kann mehr Zeit in Klassenarbeiten verschaffen oder für einen Computer zum Schreiben sorgen, wenn das Schreiben mit den Händen Schmerzen bereitet. Ist das Wasser im Schwimmbad beim Schwimmunterricht zu kalt, kann ein Attest das Kind aus dem Unterricht nehmen, aber vielleicht kann durch offene Kommunikation mit den Lehrkräften trotzdem eine Note entstehen. Auch im Sportunterricht hilft die offene Kommunikation, damit die Lehrkraft die Situation besser verstehen kann. 

Und wenn nichts helfen will?

Rheuma ist nicht heilbar. Die Medizin ist weit und hat in den letzten Jahren viele Fortschritte gemacht, dennoch bekämpft die Therapie nur die Symptome der Krankheit – nicht aber deren Ursache. In den meisten Fällen kann eine rechtzeitige Therapie die Gelenkentzündungen vollständig zurücktreiben, bleibende Schäden verhindern und die Bewegungseinschränkungen verringern. Die Juvenile Idiopathische Arthritis lässt eine deutlich bessere Prognose zu, als bei erwachsenen Rheuma-Patienten. Nicht selten kommt es vor, dass die Krankheit bei Kindern und Jugendlichen zum Stillstand kommt und inaktiv wird. Es schlummert immer ein kleines bisschen Rheuma in jedem Betroffenen, aber der erneute Ausbruch steht in den Sternen. Es kann sein, dass das Rheuma nie wiederkehrt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Schmerzen und Entzündungen nach dem Absetzen von Medikamenten wieder aufflammen, liegt bei etwa 50 Prozent – was nicht bedeutet, dass man auf ewig Medikamente zu sich nehmen muss. Es ist in jedem Fall nach erfolgreicher Bekämpfung der Entzündungen hilfreich, auf den Arzt zu hören und einer Absetzung der Medikamente zuzustimmen, auch wenn die Angst groß sein mag, dass die Schmerzen zurückkehren.
Besonders wichtig ist in jedem Fall, die Hoffnung auf Besserung nicht zu verlieren. Hier gibt es kein Erfolgsrezept, da jeder Mensch und jede Erkrankung unterschiedlich sind, aber viele Kinder und Jugendliche haben es geschafft, die Krankheit unter Kontrolle zu bekommen und viele weitere werden folgen. Optimismus ist nicht der einzig wahre Weg zur Besserung, aber die Hoffnung nicht zu verlieren ist auf jeden Fall ein guter Anfang.
Quellen: Deutsche Rheuma-Liga / Deutsches Rheuma-Forschungszentrum / Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V.Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
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