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Ehrung der WHO Henrietta Lacks: Ihre "unsterblichen" Krebszellen revolutionierten die Medizin – doch der Frau selbst geschah großes Unrecht

Ehrung der WHO: Henrietta Lacks: Ihre "unsterblichen" Krebszellen revolutionierten die Medizin – doch der Frau selbst geschah großes Unrecht
Henriette Lacks ist 31 Jahre alt, als sie ins Krankenhaus muss.
Sie leidet an Gebärmutterhalskrebs.
Doch im Jahr 1951 werden Schwarze in den USA nur in wenigen Krankenhäuser behandelt.
Die US-Amerikanerin muss deshalb ins Johns Hopkins Hospital in Baltimore, Maryland.
Dort werden Gewebeproben aus ihrem Gebärmutterhals entnommen. Dr. George Otto Gey untersucht das Material, ein Arzt der bereits 30 Jahren lang versucht, eine unsterbliche menschliche Zelllinie zu kreieren.
Lacks Zellen sind sein großer Durchbruch.
Eine normale Zelle teilt sich durchschnittlich 40 Mal in ihrer kurzen Lebenszeit. Die Zellen von Henrietta Lacks hingegen teilen sich bis heute - über 66 Jahre nach ihrem Tod.
Die mehrfache Mutter stirbt noch 1951 an ihrem Krebs. Dass ihre Zellen eine wissenschaftliche Sensation sind, hat sie nie gewusst.
Auch ihre Nachfahren erfahren davon erst, als Wissenschaftler sie in den 70ern um eine Blutprobe bitten.
Dass Lacks nie um Erlaubnis gebeten wird, löst eine Debatte über Patientenrechte und Rassismus aus. Gesetzlich vorgeschrieben war es damals nicht. Der Vorwurf lautet trotzdem: Henrietta sei als schwarze Frau ausgenutzt worden.
Jahrelang werden ihre Zellen weiter kommerziell genutzt – ohne, dass Lacks Familie davon weiß oder gar entschädigt wird.
Erst ab 2013 einigen sich Mitglieder der Familie mit Gesundheitsbeamten auf eine Kontrolle der Zellen und der DNA-Sequenz.
Die so genannten "Hela"-Zellen werden bis heute von tausenden Wissenschaftlern weltweit verwendet.
Mit Erfolg: Die Zelllinie hat dabei geholfen, Medikamente gegen Polio, Herpes und Parkinson zu finden.
Doch ihr Ursprung bleibt umstritten.

Henrietta Lacks stirbt Anfang der 1950er Jahre mit 31 Jahren an Gebärmutterhalskrebs. Ohne ihr Wissen hatten Forscher Zellen des Tumors entnommen – die sogenannten "HeLa"-Zellen schafften später die Grundlage für Zehntausende Studien. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Lacks nun geehrt und deutliche Worte gefunden. 

Henrietta Lacks gilt als "Mutter" der modernen Medizin. Zellen der 1951 verstorbenen jungen Frau ebneten den Weg für HPV- und Polio-Impfstoffe bis hin zu Medikamenten gegen HIV und Aids. Hinter dem wohlklingenden Titel steckt allerdings ein unrühmliches Kapitel der Medizin: Während der Krebs-Behandlung entnahmen Forscher Proben von Lacks Gebärmutterhalskrebs-Tumor. Die Zustimmung der Frau hatten sie dafür nicht eingeholt. Ohne das Wissen von Lacks Familie wurden die Zellen über die Dauer von zwei Jahrzehnten kommerzialisiert und weltweit für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt. Bis heute haben sogenannte "HeLa"-Zellen – das Kürzel setzt sich aus den Anfangsbuchstaben von Henrietta Lacks Namen zusammen – Verwendung in fast 75.000 Studien gefunden.

Zur damaligen Zeit konnten menschliche Zellen außerhalb des Körpers nur für eine gewisse Zeit überleben. Anders die "HeLa"-Zellen: Sie überlebten und wuchsen auch im Labor und wurden deshalb von unschätzbarem Wert für die Forschung. So konnten neue Methoden oder Wirkstoffe an ihnen getestet werden. "HeLa"-Zellen sind auch heute noch in fast jedem biotechnologischen Labor zu finden und kommen unter anderem in der Covid-19-Forschung zum Einsatz. Bis heute ist weitgehend unklar, was sie so widerstandsfähig macht.

Durch Zufall erfährt die Familie von den "HeLa"-Zellen

Für die Familienangehörigen ist es ein Schock, als diese durch einen privaten Zufall erfährt, dass die Zellen ihrer Mutter und Großmutter in Laboren weltweit weiterleben: Die Frau von Lacks ältestem Sohn trifft zufällig auf einen Forscher, der im Labor mit "HeLa"-Zellen arbeitet. Als er den Nachnamen "Lacks" hört, beginnt er von seiner Arbeit zu erzählen. Zu diesem Zeitpunkt ist Henrietta Lacks bereits seit mehr als 20 Jahren tot. Sie hinterließ fünf Kinder.

HeLa-Zellen unter einem Mikroskop
Sogenannte "HeLa"-Zellen finden auch heute noch Verwendung in vielen Laboren weltweit
© BSIP/NIH / Picture Alliance

Was mit Henrietta Lacks passiert sei, war "falsch", betonte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus diese Woche während einer WHO-Zeremonie in Genf zu Ehren der Verstorbenen, bei der auch Familienangehörige anwesend waren. "Henrietta Lacks wurde ausgebeutet. Sie ist eine von vielen 'women of color', deren Körper von der Wissenschaft missbraucht wurden. Sie vertraute dem Gesundheitssystem, damit sie behandelt werden konnte. Aber das System nahm etwas von ihr – ohne ihr Wissen oder ihre Zustimmung."

Stellvertretend für seine Mutter nahm Lawrence Lacks, Henrietta Lacks ältester Sohn, eine Auszeichnung entgegen, mit der das Vermächtnis seiner Mutter und ihr Beitrag zur medizinischen Wissenschaft gewürdigt wurden. Der Award sei auch eine Gelegenheit, Frauen, insbesondere 'women of color', zu ehren, die unglaubliche, aber oft ungesehene Beiträge für Wissenschaft und Medizin geleistet haben, so WHO-Direktor Tedros.

Initiative ehrt Henrietta Lacks

Lawrence Lacks beschrieb seine Mutter als eine bemerkenswerte Frau, die der Welt Gutes zukommen lasse, lange über ihren Tod hinaus. Zu Ehren Henrietta Lacks hat die Familie zudem eine Initiative gegründet, mit der sie das Andenken an die Spenderin wahren und sich für gesundheitliche Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit einsetzen wollen. Nach eigenen Angaben hat die Familie bis heute keine der Einnahmen erhalten, die mit "HeLa"-Zellen generiert wurden. 

Viele ihrer Enkel und Ur-Enkel arbeiten heute in medizinischen oder juristischen Berufen. 

Quellen: WHO / BBC

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